Frankfurt, Leben|29. September 2015 13:44

Hoch hinaus: Industriekletterer haben Aufstiegschancen

© Michael Ottersbach /pixelio.de

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Gebäude ragen immer höher hinaus. Gerade in Frankfurt am Main prägen Wolkenkratzer das Stadtbild wie in keiner anderen deutschen Stadt. Erst 2014 sind mehrere dieser Eindrucksvollen Bauwerke hinzugekommen, so der Neubau der Europäischen Zentralbank oder auch der Taunusturm, in diesem Jahr wurde die Skyline dann durch den St. Martin Tower ergänzt. Und in regelmäßigen Abständen kommen immer höhere Gebäude hinzu. Wer aber kommt zum Einsatz, wenn ihre Fassaden gereinigt oder repariert werden müssen? Industriekletterer erledigen diese Arbeiten ohne Probleme.

Hoch hinaus – im wahrsten Sinne des Wortes. Kaum ein anderer Berufszweig genießt täglich den Ausblick, den Industriekletterer zu Gesicht bekommen. Doch die Aufgaben, die diese Menschen ausführen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Was sie gemeinsam haben ist lediglich die schwindelerregende Höhe.

Industriekletterer müssen ein altes Stadiondach auf Schäden untersuchen, die Spitze eines Kirchturms reparieren oder ein Gebäude streichen, dessen ungewöhnliche Bauform das Aufstellen eines Gerüstes nicht erlaubt. Im Herbst 2011 musste das Team von Pigo-Extremtechnik die Frankfurter Eisenbahnbrücke mit frei schwebenden Kunstobjekten verschönern. Im Grunde erledigen Industriekletterer klassische handwerkliche Arbeiten – lediglich der Ort zum Austragen ist ungewöhnlich.

Höhenarbeiten haben eine langjährige Geschichte

Das Industrieklettern, auch als Seilzugangs- und Positionierungstechnik (SZP) bekannt, ist eine vergleichsweise jung Branche. Sie entwickelte sich ab 1930 in den USA, als alpine Sicherungs- und Klettertechniken für Höhenarbeiten zum Bau der Golden Gate Bridge in San Francisco sowie des Hoover-Staudammes am Colorado River benötigt wurden.

Den Durchbruch schaffte die Branche dank den Bohrinseln in der Nordsee. Britische Kletterer waren hier in den 1970er Jahren mit einem System aus Trag- und Sicherungsseil unterwegs. Ein Jahrzehnt später wurde schließlich die Industrial Rope Access Trade Association (IRATA) gegründet.

In der DDR waren ebenfalls Industriekletterer im Einsatz. Die Fassaden der Plattenbauten waren kurz nach ihrer Errichtung sanierungsbedürftig. Gerüste gab es zu jener Zeit nur wenige, sodass Industriekletterer zum Einsatz kamen. Nach der Wiedervereinigung arbeiteten die Menschen zunächst in einer Grauzone, bis Berufsgenossenschaften das Arbeitsverfahren untersagten.

1995 wurde der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken e.V. (FISAT) gegründet, welcher Arbeits-, Sicherheits- sowie Ausbildungsrichtlinien erschuf, die diesen Beruf wieder freigaben.

Ausbildung zum Kletterer

Die Branche sucht seit Jahren nach ausgebildeten Handwerkern, die nebenbei keine Angst vor schwindelerregenden Höhen besitzen und Spaß am Klettern haben. In der Vergangenheit haben Fälle gezeigt, dass viele, die sich für diese Branche interessieren, Handwerker sind, die nichts dem Klettern zu tun haben. In diesem Fall müssen sie in einer Berufskletterschule umfassend geschult werden. Dort lernen sie die Basics zum Klettern aber auch wichtigen Aufgaben, die Absicherung mit einem Seil zum Beispiel. Zwei Jahre lang dauert eine solche Ausbildung. Die Handwerker müssen in diesem Zeitraum Kurse besuchen und erfolgreich absolvieren. Nebenbei sammeln sie im Betrieb lebenswichtige Erfahrung.

Ausdauer und körperliche Fitness sind ein Muss

Das Arbeiten in schwindelerregender Höhe sieht vom Boden relativ einfach aus. In Realität müssen Industriekletterer viele sportliche Fähigkeiten besitzen. Ihre körperliche Fitness muss einwandfrei sein, Selbes gilt für ihr Seh- und Hörvermögen. Schwindelfreiheit ist natürlich ebenfalls ein wichtiges Kriterium und muss durch das Attest G41 bestätigt werden.

Viele Industriekletterer sind Freelancer

Industriekletterer sind wahre Multitalente, die mehrere Arbeiten ausführen können. Aus diesem Grund arbeiten sie häufig als Freelancer und werden mit Gleichgesinnten gemeinsam beauftragt, gewisse Arbeiten auszuführen. Ein Industriekletterer kann heute einen Baum fällen und morgen auf die Turmspitze einer Kirche aufsteigen, um das Dach zu überprüfen.

Das Leben als Freelancer hat aber auch seine Nachteile: Da die Wetterverhältnisse in der zweiten Jahreshälfte problematisch sind, müssen Industriekletterer im Sommer Überstunden schieben. Auf der anderen Seite hat dieser Beruf sehr gute Aussichten. Die Branche wächst und wird es auch in den kommenden Jahren tun. Gebäude wachsen schließlich immer mehr in die Höhe. Des Weiteren gibt es neue Immobilien mit ungewöhnlichen Formen, die für ihre Instandhaltung das Talent eines Industriekletterers benötigen.

Industrieklettern ist Teamarbeit

Leichtsinnigkeit und fehlende Sicherheit gibt es in dieser Branche nicht. Ein Industriekletterer kann es sich nicht leisten, ungesichert oder leichtsinnig Arbeiten auszuführen. Da sich sein Arbeitsplatz in lebensgefährlichen Höhen befindet, kostet ihn ein Fehler unter Umständen das Leben. Aus diesem Grund arbeiten Industriekletterer immer in Teams – meist zu zweit – zusammen. Beide Industriekletterer besitzen getrennte Seilsysteme.

Trotz der Gefahren ist der Job des Industriekletterers sehr sicher. Abstürze gibt es fast keine, leichte Schnittverletzungen kommen vor. Der letzte Absturz ereignete sich Ende 2013, war jedoch durch eine schlechte Absicherung der Industriekletterer verschuldet. Sie sicherten ihre Seile um ein Häuschen, verschlossen damit aber einen Dachausstieg, der von Mitarbeitern zur Zigarettenpause genutzt wurde. Da sie die Tür nicht öffnen konnten, schnitten sie das Seil und somit die Sicherung des Industriekletterers durch.

Trotz des genannten Falls arbeiten Industriekletterer im Vergleich zu anderen Branchen, die mit schweren Unfällen zu kämpfen haben, relativ sicher.

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