Museum Harlekinäum
In Wiesbaden-Erbenheim gibt es wohl das einzige Spaßmuseum in unserer manchmal ach so leidvollen Zeit. Ute und Michael Berger, die Besitzer und Ideengeber für die Exponate im Harlekinäum, verfügen über sehr viel Humor, und in ihren Adern scheint eher Satire denn Blut zu fließen. In acht Sälen erlebt man hier eine comedianhafte Sammlung mit tanzenden Regalen, einem begehbaren Käse, einem Dschungelbadezimmer und einer “Ostfriesentasse“, bei der sich der Henkel innen befindet und weitere noch skurrilere Ideen. Der neuste humoristische Schlag ist seit 2011 das “Harlekin's Klooseum – Museum of Modern Arsch“ im alten Pfarrhaus in der Wiesbadener Wandersmannstraße 2b. Das Harlekinäum verbucht im Jahr rund 10.000 Besucher und wird von seinen Ausstellungsmachern als das “einzige Humormuseum der Welt“ bezeichnet. Aber was ist ein Harlekin überhaupt?
Hintergrundinformationen: Der Harlekin
Das Wort Harlekin kommt von dem italienischen Ausdruck alecchino, was eine Verballhornung des italienischen Wortes hellechino (kleiner Teufel) ist. Die wesentlichen altfranzösischen Wörter gehen auf die Dienerfiguren der Commedia dell'arte – einer Form der italienischen Volkskomödie – aus der Renaissance zurück. Die Herkunft der Harlekinfigur liegt im Dunkeln. Der normannische Chronist Ordericus Vitale (1075; † 1142) berichtet zum ausgehenden 11. Jahrhundert, dass er des Nachts an der normannischen Küste von einer Schar Dämonen verfolgt worden sei. Der Anführer war ein wild aussehender, vermummter Riese, der seine Keule um sich schwang. Diese Legende ist auch als die “wilde Jagd der Herlekine“ oder „familia herlequin“ bekannt, in der Harlekine nachtsüber einsame Wanderer erschrecken. Die Figur des Harlekin lässt sich indes auch auf die alte französische Sage der “familia herlequin“ im Dämonenkult zurückführen, die von einem Seelen- und Totenheer handelt.
Überliefert ist, dass die erste Harlekinfigur im Stück “Jeu da la Feuillière“ vom französischen Troubadour Adam de la Halle (1237; † 1287 oder 1306) im Jahre 1262 ihren Auftritt hatte. Er hieß damals jedoch Narrenbeißer Croquesquot und trat mit einer Teufelsmaske und einem Kapuzenumhang auf. Diese Figur ist wohl von der italienischen Commedia dell'arte übernommen worden, wobei jedoch die dämonischen oder teuflischen Züge des Ur-Harlekin entschärft wurden. In dem 21. Gesang des Infernos in der “Göttlichen Komodie“, die vermutlich zwischen 1307 und 1321 vom italienischen Dichter und Philosophen Dante Alighieri (1265; † 1321) geschaffen wurde, tritt ein Dämon auf, den Alighieri von Alichino (Eistreter) nennt. Im Charivari Blatt, einer satirischen Dichtung in Versen, ist ein Harlekin der Bürgerschreck.
Die heutige Maske des Harlekin stammt jedoch von Tristano Martinelli (1555; † 1630), der ein Mitglied der italienischen Schauspieltruppe Compagnia dei Comici Gelosi war. Die bäuerlichen Züge der Menschen aus den Gebirgstälern von Bergamo standen hierbei Pate. Sein Kostüm bestand aus grobem Stoff mit bunten Flicken darauf und an der Mütze war ein Hasenschwanz als Hinweis auf seine Feigheit angebracht. Das typische Kostüm mit dem Rhombenmuster wurde zum ersten Mal von Domenico Biancolelli (1640; † 1688) während seiner Gastspiele in Paris gezeigt. Was die Figur des Harlekins heute charakterisiert, ist sein mit roten gelben und blauen Flecken übersäter Anzug, der auf seine Armut hinweisen soll. Eine schwarz-weiße Maske verhüllt das Angesicht. Die Kopfbedeckung ist eine Kappe, die beim Ur-Harlekin mit einer Hahnenfeder, später jedoch zumeist mit einem Fuchs- oder Kaninchenschwanz verziert war. Seine Jacke, Weste und Hose sind eng anliegend geschneidert und der Gürtel liegt weit unter dem Bauchnabel. Immer trägt der Harlekin ein kleines Holzbrett im Gürtel, was das Narrenschwert symbolisiert, sowie einen Beutel für die Münzen, die er mit List zu erbeuten versucht.
Die Natur des Harlekin ist bestimmt von Flexibilität und Agilität. Er ist nie still, ruhig oder auch träge und zeigt immer eine ausgelassene Heiterkeit. Auch wenn er gelegentlich ungehobelt erscheinen mag, ist er nicht dumm sondern wahrlich geistreich und schlagfertig. Einer seiner weiteren Wesenszüge sind sein ewiger Hunger, Durst und sexueller Appetit. Letzteres zeigt seine Vorliebe für Erotik und eher lose Bindungen. Sein quirliges Wesen offenbart sich in seinen akrobatischen Darbietungen, die mit Sprüngen und Purzelbäumen angereichert sind. Bei seinen Auftritten wirkt er niemals statisch, sondern erscheint immer wie auf dem Sprung. In fast allen Harlekinabbildungen kommt diese Lebendigkeit zum Ausdruck, da er meistens hüpfend oder das eine Bein vor das andere setzend dargestellt wird. Die großen und erfolgreichen Harlekine in der Geschichte mussten aber nie comedianhafte Meisterleistungen erbringen und nicht sehr vielseitig sein. Ein einfaches Grundkonzept hat immer gereicht, um die Zuschauer zu Begeisterungsstürmen mitzureißen. Dabei müssen ihre Gags stets so wirken, als hätte sich der Harlekin diese gerade spontan ausgedacht.
Das gilt auch für den Arlecchino (Harlekin) aus der Commedia dell'arte, der sich zu einer sehr anspruchsvollen und wohl berühmtesten Rolle entwickelt hat. Das Besondere an ihm ist, dass man die Figur des Harlekins nicht dem Guten oder Bösen zuordnen kann. Er steht als ausgesprochener Feigling immer mitten drin. In der Commedia dell'arte, die im Italien des 16. Jahrhunderts entstand, ist der Arlecchino einer der Hauptakteure. Ein Darsteller dieser Figur muss viele Wortspiele gekonnt beherrschen und seine Späße pointiert und mit Treffsicherheit anbringe können, denn die Stücke der Commedia dell'arte haben meist nur eine grobe Handlung, wie z. B. “La piazza d’Isabella“ in I canovacci della Commedia dell’arte, das im starken Gegensatz zu den klassischen Dramen mit ihren festgelegten Texten und Handlungsabläufen steht. Mit der Zeit wuchs die Rolle des Arlecchinos über den reinen Spaßmacher hinaus. In dieser kann er Lügner entlarven, Schicksale lenken und avanciert damit eindeutig zum Liebling des Publikums. Dabei wird der Harlekin als derjenige angesehen, der aussprechen kann, was andere noch nicht einmal zu träumen wagen. Er hatte die sprichwörtliche Narrenfreiheit inne, und die Mächtigen ließen ihn gewähren, denn sonst hätte sie der Zorn der Bevölkerung abgestraft.
Diese Erläuterungen zum Harlekin werden den Besuchern des Harlekinäums in Wiesbaden sicherlich dabei helfen, die manchmal derben Späße besser in ihre Gedanken- und Gefühlswelt einzuordnen und den wirklichen Kern des Pudels bei den vielen Exponaten schätzen und lieben zu lernen. Lachen ist auf jeden Fall nicht nur gewünscht, sondern von den Museumsmachern sogar verordnet.
Praktische Informationen für Besucher
HARLEKINÄUM
Wandersmannstrasse 39
65205 Wiesbaden-Erbenheim
Telefon (06 11) 7 40 01
Telefax (06 11) 7 40 01
Auf Grund der etwas unregelmäßigen Öffungszeiten dieses Museums, ist eine telefonische Anfrage vor dem Besuch zu empfehlen.
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