Frankfurt, Wirtschaft|7. Juli 2011 16:42

Ein riesengroßer Marktplatz

Der Flughafen Frankfurt ist einer der wichtigsten Warenumschlagplätze der Welt

Container am Flughafen

© mr.nico /aboutpixel

Am Anfang war? Die Zeitung. Exemplare der Berliner Morgenpost wurden im August 1911 den Annalen zufolge als erste in Deutschland per Luftfracht von Berlin nach Frankfurt (Oder) transportiert. Hundert Jahre später feiert die Branche das Jubiläum in Frankfurt am Main, einer der wichtigsten Cargo-Drehscheiben der Welt.

Frankfurt am Main (pia) Die Wirtschaftskrise ist vergessen, die Branche boomt. Mehr als 4,1 Millionen Tonnen Luftfracht wurden im vergangenen Jahr in Deutschland umgeschlagen und damit ein neuer Rekord aufgestellt. Mehr als die Hälfte kam über den Frankfurter Airport ins Land oder ging in die Welt hinaus, so viel Tonnage wie nie zuvor. Rund um die Fracht hat sich am Flughafen ein Wirtschaftszweig mit weit mehr als 10.000 Beschäftigten, einigen hundert Unternehmen und einem Milliardenumsatz entwickelt. Das Netzwerk umfasst Fluggesellschaften, Spediteure, Zoll, Post, Lagerbetriebe und Handlingagenturen. Rund 30 Berufsgruppen, vom Verpacker bis hin zu dem aus der Schifffahrt bekannten Havariekommissar, hat Fraport, der Betreiber des s iebtgrößten Frachtflughafens der Welt, einmal gezählt.
Güter kommen aus ganz Europa nach Frankfurt

Seit etwa 15 Jahren lassen sich die großen Logistikfirmen gezielt am Flughafen nieder. Es geht zu wie auf einem riesengroßen Marktplatz „Es werden Waren gesammelt und verteilt“, beschreibt Bernhard Leßmann von Fraport den Kern des Geschäfts. Die Airlines bieten die Frachtkapazitäten ihrer Maschinen an; die Vielfalt an Gesellschaften und Destinationen wiederum macht den Standort für Spediteure attraktiv. Sie lassen Güter aus ganz Europa per Bahn und Lastwagen nach Frankfurt rollen. Die Konzentration von Dienstleistern, die Vernetzung der Verkehrsmittel – Fachleute sprechen von Intermodalität – der Wettbewerb untereinander und die zentrale Lage rechnet der Direktor des House of Logistics & Mobility (HOLM), Stefan Walter, zu den Stärken Frankfurts im Luftfrachtgeschäft: „Die Flexibilität und die Reaktionsgeschwindigkeit am Tor zur Welt erhöht sich.“
Rosen, Fisch und Medikamente

Die Ware Zeitung ist 100 Jahre nach dem ersten Luftfrachtflug auf deutschem Boden zur Randerscheinung geworden. Gehandelt wird, was empfindlich, gut oder teuer ist. Heute werden – in Tonnage gerechnet – weniger als ein Prozent aller Güter weltweit per Jet befördert, aber auf sie entfallen mehr als 35 Prozent des Warenwerts. Das auf verderbliche Waren spezialisierte Perishable Center Frankfurt (PCF) vereint diese Aspekte. Einerseits ist es Einflugschneise für Rosen, Obst und Gemüse, Edelfisch und Fleisch – überwiegend aus Afrika, Südamerika und Südostasien –, die Otto Normalverbraucher am Ende der Transportkette in den Einkaufskorb legt. Andererseits steht das Perishable Center für hochwertige Gü ter und eines der Wachstumssegmente im globalen Cargogeschäft: Medikamente und Medizintechnik. „Impfstoffe gehen in Entwicklungsländer“, nennt PCF-Geschäftsführer Christopf Herchenhein ein Beispiel. Ähnliches trifft auf Geräte für Bluttests zu, die ein Medizintechnikkonzern in Wiesbaden herstellt oder Insulin aus dem nahe beim Airport gelegenen Industriepark Höchst. Ein anderer unterhält in Neu-Isenburg ein internationales Distributionszentrum. Die Exporteure der hochsensiblen Produkte sitzen im Einzugsgebiet zwischen Main und Rhein bis hinunter zur Schweizer Chemieregion um Basel. Via Flughafen Frankfurt sind die Absatzmärkte zügig erreichbar. Für die Rhein-Main-Region, so die Vision, könnte die Frachtdrehscheibe die Chance eröffnen zur Ansiedlung weiterer Pharmaproduzenten.
Auch Passagierflugzeuge transportieren die Fracht

In den nächsten Jahren wird die Luftfracht weltweit schätzungsweise um etwa fünf Prozent wachsen. Neben Pharma treibt unter anderem der Maschinenbau das Geschäft im weltweit umspannenden Produktions-, Beschaffungs- und Absatznetz an. Den Bauch der Flugzeuge füllen zum Beispiel iPads aus China. Flieger aus dem Reich der Mitte sind in der Regel voll gepackt bis obenhin – am Main muss der Carrier sich um die Auslastung des Rückflugs kümmern. Die Nähe zu den Spediteuren vereinfacht das Geschäft in dem umkämpften Markt. Auch so mancher Urlaubsflug wirft erst durch die Waren im Laderaum Profit ab. „Jedes Passagierflugzeug verfügt über 20 bis 30 Tonnen Frachtkapazität“, sagt Niels Haupt, Pressesprecher von Lufthansa Cargo, dem größten Player am Airport. Parallel zur zunehmenden Zahl an Passagier- und Frachtmaschinen steigt die Kapazität, der Wettbewerb der Airlines wird härter. Die Preise werden unter Druck kommen, glaubt Haupt, dessen Arbeitgeber 2010 einen Rekordprofit von 310 Millionen Euro einflog. Die wichtigsten Konkurrenten der Frachtdrehscheibe Frankfurt sind im Mittleren Osten, in Asien, Amerika und Russland zu finden. Dort liegen die Absatzmärkte der Zukunft.
Der Standort Frankfurt hält weiter weltweit mit

Weltweit wird es laut HOLM in einigen Jahren höchstens noch 15 internationale Aufsatzpunkte für Carrier geben. Der Standort Frankfurt hält derzeit über hohe Effizienz und Produktivität mit. Um Wettbewerbsvorteile zu sichern, will Fraport Strukturen optimieren. „Papierloser Transport“ soll helfen, die Umschlagzeit zu verkürzen: Je kürzer die Durchlaufzeit, desto höher die Kapazität. Außerdem setzt der Flughafenbetreiber darauf, dass kein Anbieter an der Lage des Airports im Herzen Europas vorbeikommt. Egal, ob er Polopferde, Elefanten, Tabletten oder Rotwein transportiert.

© Margarete Lausberg Stadt Frankfurt am Main, Presse- und Informationsamt

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