Sehenswürdigkeit in Darmstadt: Die Meisterbauten

Darmstädter Meisterbauten

Mit den Darmstädter Meisterbauten bezeichnet man eine Gruppe von Gebäuden, die den kulturellen Wiederaufbau der nach dem Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstörten Stadt Darmstadt vorantreiben sollte. Erich Kästner brachte es 1946 nach seiner Fahrt durch das zerbombte Darmstadt in zwei Sätzen auf den Punkt: "...Darmstadt existiert im Grunde nicht mehr. Es wurde in einem Zwanzig-Minuten-Angriff aus der Welt geschafft." Die Stadt war damals gekennzeichnet von menschlichen und materiellen Tragödien, die sich auf den offenen Straßen inmitten von ungefähr 3.000.000 m³ Trümmerschutt abspielten. Deutsche und Vertriebene aus den von den russischen Alliierten besetzten Gebieten bauten die Stadt gemeinsam auf. Nach der Währungsreform im Jahre 1948 begann der Bau von Wohnsiedlungen am Stadtrand Darmstadts, um den großen Wohnraummangel zu beheben. Dieser blieb allerdings auch bis zur ersten Hälfte der 50er Jahre ein dringendes Problem, sodass viele evakuierte Darmstädter auf die Erlaubnis warten mussten, wieder zurück in ihre Heimatstadt ziehen zu dürfen.

Mit den materiellen und strukturellen Sorgen während des Wiederaufbaus ging die kulturelle Degradierung einher, die Darmstadt als damals 400-jähriger Regierungssitz erfuhr, als Wiesbaden zur Hauptstadt des neuen Landes Hessens ernannt wurde.
Die Stadtverwaltung tat mit der schnellen Wiederöffnung des Theaters und der Technischen Hochschule, der Niederlassung des deutschen PEN-Zentrums sowie der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, bekannt durch die jährliche Vergabe des renomiertesten deutschen Literaturpreises, dem Georg-Büchner-Preis, alles Mögliche, um gegen den schleichenden Identitätsverlust anzukämpfen. In diesem Zusammenhang ist auch die Entstehung der Darmstädter Gespräche in den 50er Jahren zu sehen: Die neue Zeitrechnung nach dem Zweiten Weltkrieg, der Aufbau einer demokratischen Gesellschaft, der produktive & kreative Umgang mit den so raren Ressourcen waren keine Dinge, die sich im Handumdrehen bewerkstelligen ließen.

Darmstädter Gespräche

Die Darmstädter Gespräche griffen genau diese Spannung auf und boten eine intellektuelle Auseinandersetzung mit den damals aktuellen Themen an. Es war an der Zeit, in sich zu gehen und neue geistige Horizonte und Werte auszumachen und zu bestimmen, an denen sich ein neues modernes Darmstadt orientieren könnte. Wie immens der Bedarf der Bürger an dieser Reihe von unregelmäßigen öffentlichen Symposien zwischen 1950 und 1975 war und wie sehr sie den Kern jener Zeit zu treffen vermochten, lässt sich leicht an der Liste mit den prominenten Teilnehmern aufzeigen: Theodor W. Adorno, Martin Heidegger, Alexander Mitscherlich, Otto Ernst Schweizer, Friedrich Dürrenmatt, Max Horkheimer und José Ortega y Gasset und andere.
Trotz der großen und oft auch Ehrfurcht einflößenden Namen richtete sich das theoretische als auch praktische Anliegen der Symposien an das interessierte Laienpublikum, an alle, die eine wage Idee von dem morgigen Darmstadt in sich trugen.

Während bereits das erste Darmstädter Gespräch mit der Themensetzung „Das Menschenbild unserer Zeit“ 1950 heiße Diskussionen über Kunst und ihre Abstraktion aufwarf und weit über die regionalen Grenzen hinaus Beachtung fand, war der Anspruch des zweiten Darmstädter Gesprächs „Mensch und Raum“ im darauffolgenden Jahr, noch mehr im Alltag der Menschen zu bewirken.

Das zweite Darmstädter Gespräch und die Meisterbauten
So vergab die Stadt Darmstadt vor dem Symposium elf Planungsaufträge an zwölf renommierte Architekten aus ganz Europa mit der Prämisse, zwingend erforderliche Kommunalbauten in einer zeitgemäßen und menschlichen Bauweise zu entwerfen, die auch Kunst am Bau integrierte.
Die fertigen Entwurfspläne wurden der Öffentlichkeit dann später im Rahmen des zweiten Darmstädter Gesprächs am Woog auf der Mathildenhöhe präsentiert. Hierbei hatten die Verantwortlichen sicherlich die große Jugendstilausstellung, seinerzeit die erste Ausstellung der Künstlerkolonie, aus dem Jahr 1901 im Sinne, an die sie gerne anknüpfen wollten, um sozusagen eine Brücke zu einer blühenden Kulturepoche in der Vergangenheit zu schlagen und somit auch Hoffnung und Optimismus zu wecken.

Letztlich wurde wegen fehlender städtischer Gelder nur der Bau von fünf der elf entworfenen Meisterbauten realisiert – und dies in teilweise reduzierter Form. Die verbleibenden sechs Entwürfe, die den Schritt über das Reißbrett hinaus leider nicht schafften, waren eine Grundschule mit Kindergarten (Entwurf von Willem Marinus Dudok), eine Volksschule mit Kindergarten (Entwurf von Otto Ernst Schweizer), eine Mädchenschule mit Mädchenberufsschule (Entwurf von Rudolf Schwarz), eine Volksschule (Entwurf von Hans Scharoun), eine Tonhalle (Entwurf von Paul Bonatz) und ein Stadthaus (Entwurf von Peter Grund).

Architektonische Highlights in Rhein-Main
  • Das IG-Farben-Haus in Frankfurt am Main gilt als architektonisches Highlight
  • Die Mainzer Zitadelle ist ein Zeugnis der Architektur in der Frühen Neuzeit
  • Das Römertor in Wiesbaden zeigt die Bauweise zur Zeit der Römer
  • Das Moderne Mainz zeigt die Vorstellungen von moderner Architektur in den 1960er Jahren
Museen in Darmstadt
  • Im Museum Bahnwelt schlagen die Herzen aller Bahnfreunde höher
  • Im Bioversum dreht sich allem um das Zusammenleben von Menschen, Flora und Fauna
  • Im Landesmuseum gibt es eine klassische Universalsammlung mit den Bereichen Kunstgeschichte, Geologie und Zoologie
  • Sehenswert ist auch das Schlossmuseum

Die fünf Darmstädter Meisterbauten

Es gibt in Deutschland nur sehr wenige andere Gebäude, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind und dennoch als schützenswerte Repräsentanten einer abgeschlossenen Stilepoche gelten. In diesem Sinne stellen die Darmstädter Meisterbauten in der jüngeren Kulturgeschichte Darmstadts eine absolute Rarität dar.

Die fünf realisierten Meisterbauten im Einzelnen
Die Geschichte des Realgymnasiums in Darmstadt reichte bis 1826 zurück. Ab 1945 kam das Realgymnasium vorübergehend in einer anderen Schule unter. Mit Beginn der 4-jährigen Bauphase nach den Entwürfen von Meisterarchitekt Hans Schwippert (1899; † 1973) wurde die Schule in die Georg-Büchner-Schule, Gymnasium, umbenannt. 1960 war es dann soweit, die Georg-Büchner-Schule konnte in ihr neues Domizil mit vielen Innenhöfen und angrenzenden Grünflächen in der Nieder-Ramstädter Straße 120 im Südosten Darmstadts einziehen.

Das Ludwig-Georgs-Gymnasium wurde ursprünglich 1629 erbaut. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg konnten die bis dahin in Darmstadt verteilten Schüler 1955 wieder in das neue Gebäude nach dem Entwurf von Meisterarchitekt Max Taut (1884; † 1967) in der Nieder-Ramstädter Straße 2 ziehen. Taut plante für jedes Klassenzimmer im B-Bau des im Bauhaus-Stil erschaffenen Gymnasiums erst einmal eine Loggia als Freiluft-Klassenraum, die jedoch bereits acht Jahre später in normale Klassenräume verwandelt wurden, da sie die wachsende Schülerschaft nicht mehr angemessen unterbringen konnten.

Die Frauenklinik nach dem Entwurf von Otto Bartning (1883; † 1959) und Otto Dörzbach (geboren 1920) ist insofern ein Unikat, als dass der Ruhm Bartnings hauptsächlich auf seine Kirchenbauten beruht. Bartning war unter anderem auch Leiter der berühmten Bauhochschule in Weimar und enger Vertrauter des Bauhausleiters von Dessau, Walter Gropius.

Das braun verklinkerte Appartement-Haus in der Pützerstraße 6, das 1955 nach dem Entwurf von Meisterarchitekt Ernst Neufert (1900; † 23. 1986) als „Ledigenheim“ fertiggestellt wurde, trägt heute den Namen „Ernst-Neufert-Bau“. In einem Teil der unteren Etage befindet sich ein Restaurant und auf der Westseite des streng und sparsam gestalteten Gebäudes führt eine große freistehende Treppe in den Meisterbau. 2003 wurden die Appartements mit den kleinen Einzimmerwohnungen großzügiger und zeitgemäßer aufgeteilt und saniert.

Der Kindergarten „Kinderwelt“ wurde zwischen 1952 und 1960 nach dem Entwurf vom Meisterarchitekten Franz Schuster (1892; † 1972) aus Wien gebaut. Anfangs war dem Kindergarten in der Kittlerstraße 28 nur ein Hort angegliedert, aber bereits 1961 wurde ein separates Gebäude mit Krippe erschaffen. Nach einer kompletten und originalgetreuen Sanierung im Jahr 2006 konnte der Kindergarten „Kinderwelt“ wieder seine Pforten öffnen.